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Tom Levold Wahlkampf 2009
Beobachtung der Beobachter


Tom Levold
Dipl.-Sozialwissenschaftler, Lehrender Supervisor und Lehrender Coach (SG)

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www.systemagazin.de

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tom.levold@charismakurve.de


22.09.2009
Künstliches Charisma und öffentliche Vernunft


Meine Anmerkungen zum Charisma-Wahlkampf 2009 habe ich mit einem Zitat von Niklas Luhmann begonnen, mit einem Zitat von Pierre Bourdieu, dem ebenfalls verstorbenen großen französischen Soziologen, möchte ich sie beenden. Im Unterschied zu Luhmann, der stets um die Rolle eines distanzierten Beobachters bemüht war, sind Bourdieus politische Analysen immer auch mit einer engagierten politischen Haltung verbunden. er hat sich mit der Tatsache auseinandergesetzt, dass die elektronischen Massenmedien auch im öffentlich-rechtlichen Bereich einer immer weitergehenden Dynamik von Ökonomisierung und Kommerzialisierung ausgesetzt sind. Diese Dynamik erzeugt einen Druck, alle Inhalte in Form massenkompatibler Unterhaltungsprogramme zu bringen. Damit einher gehen Trends zum Unwichtigen, zur Informationsverdünnung, zur Personalisierung, zur Inszenierung, zum "agenda cutting" und zur Dauerunterhaltung (1)). Die Produktion des »künstlichen« Charismas von Politikern in diesem medialen Kontext folgt schon längst nicht mehr den Rationalitätskriterien des politischen Systems, sondern dem »Terror der Einschaltquoten« (Bourdieu). Die Einschaltquote aber "ist die Sanktion des Marktes, der Wirtschaft, das heißt einer externen und rein kommerziellen Legalität, und die Unterwerfung unter die Anforderungen dieses Marketinginstruments ist im Bereich der Kultur genau dasselbe wie die von Meinungsumfragen geleitete Demagogie in der Politik. Das unter der Herrschaft der Einschaltquote stehende Fernsehen trägt dazu bei, den als frei und aufgeklärt unterstellten Konsumenten Marktzwängen auszusetzen, die, anders als zynische Demagogen glauben machen wollen, mit dem demokratischen Ausdruck einer aufgeklärten, vernünftigen öffentlichen Meinung, einer öffentlichen Vernunft, nichts zu tun haben" (2). Es wird sich zeigen, wohin diese Entwicklung weiter führen wird und ob es angesichts der auf uns zukommenden politischen und gesellschaftlichen Probleme nicht doch eine Repolitisierung der Politik-Darstellung geben wird. Am nächsten Sonntag ist diesbezüglich wohl nicht mit Überraschungen zu rechnen.

(1) Thomas Leif: Macht ohne Verantwortung. Der wuchernde Einfluss der Medien und das Desinteresse der Gesellschaft. In: Politik und Zeitgeschichte B 41-42/2001
(2) Pierre Bourdieu, zit. bei Edgar Grande: "Charisma und Komplexität: Verhandlungsdemokratie, Mediendemokratie und der Funktionswandel politischer Eliten". Raymund Werle, Uwe Schimank (Hg.) Gesellschaftliche Komplexität und kollektive Handlungsfähigkeit


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