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Tom Levold Wahlkampf 2009
Beobachtung der Beobachter


Tom Levold
Dipl.-Sozialwissenschaftler, Lehrender Supervisor und Lehrender Coach (SG)

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www.systemagazin.de

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tom.levold@charismakurve.de


01.09.2009
Stell Dir vor, es ist Bundestagswahl und keiner geht hin!


Die Konsequenzen, die in der aktuellen Presseerklärung aus den Umfragewerten und den Landtagswahlen gezogen werden, reizen zum Widerspruch.

Ein alternatives Szenario könnte auch folgendermaßen beschrieben werden:

Die Wähler sind durch die Politik gelangweilt, deshalb geht nur noch die Hälfte von ihnen zur Wahl (Tendenz abnehmend, Ausnahmen - wie im Saarland - bestätigen die Regel). Wer die Wahlberichterstattung am Sonntag in den verschiedenen Kanälen verfolgt hat, kann befürchten, was in den nächsten vier Wochen an Platitüden, vorgestanzten Sprechblasen und Endlos-Wiederholung der immergleichen Sprüche („Licht und Schatten“ - sieh mal an) auf uns zukommen wird. Gemeinsames Interesse für die Bewältigung der zukünftigen Probleme? Fehlanzeige. Alle Parteienvertreter sind bemüht, ihre eigene Gewinnersemantik auf Kosten der Redezeit der Wahlgegner und gegen die ModeratorInnen durchzusetzen. Echte Positionen? Fehlanzeige. Abgesehen davon, dass ModeratorInnen unruhig werden, wenn sich tatsächlich einmal eine interessante Debatte ergeben sollte, denn es stehen ja noch jede Menge Punkte auf dem Spickzettel, die in 45 Minuten durchgezogen werden müssen.

Von denen, die wählen gehen, geht ein beachtlicher Teil aus Gewohnheit, alter Loyalität zu bestimmten Parteien oder aus Pflichtbewusstsein als Bürger zur Wahl, aber nicht, weil sie sich etwas von der Politik versprechen.

Nicht die Unterschiede der Parteien verliert bei den Beobachtern Interesse, sondern die Parteien selbst, weil sie ihre Unterschiede aus Angst vor dem Risiko, Wählerstimmen zu verlieren, tendenziell verkleinern, vertuschen oder in Programme auslagern, die niemand liest: niemand soll Sorgen haben, dass ihm zukünftig weh getan wird.

FDP, Grüne und Linke gewinnen Stimmen, weil sie dagegen Unterschiede eher zuspitzen können, eine Klientel bedienen und nicht den Anspruch haben, als Volkspartei allen Menschen eine politische Heimat bieten zu können.

Weil dem Volk zunehmend mehr die Mitte abhanden kommt, macht das Konzept der Volkspartei keinen wirklichen Sinn mehr. Das gemeinsame Merkmal von Union und SPD, die massiv, aber in unterschiedlichem Tempo Mitglieder und Stimmen verlieren, ist die Scheu vor dem Risiko. Während die CDU aber immerhin noch bei der Keine-Experimente-Klientel punkten kann, wird die Risikoscheu der SPD das Genick brechen. Die alte Angst, als Vaterlandsverräter gebranntmarkt werden zu können, verhindert noch heute, dass die SPD ein Profil nicht nur erstellt, sondern es auch konsequent vertritt.

Von einem Duell der Volkstribunen Merkel und Steinmeier ist daher nicht zu erwarten, dass sich neue Gesichtspunkte für die Zukunft unseres Landes ergeben. Ohnehin wären beide glücklich, wenn sie am Ende miteinander weiter regieren könnten (wenn das nur nicht die kleineren Parteien noch weiter stärken würde).

Vielleicht wäre es weniger langweilig, wenn jede Partei einen eigenen Kanzlerkandidaten aufbieten würde. Zumindest das Fernsehen müsste sich dann Gedanken machen, welche alternativen Präsentationsform zu einem Zweierduell in Frage kommen. Noch schöner wäre es aber, wenn es eine Form der Politikdarstellung geben würde, die etwas mehr mit den Lebenslagen der Bürger zu tun hätte. Vielleicht würde dann die Wahlbeteiligung auch wieder steigen.


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