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Cristián Gálvez Wahlkampf 2009
Vorhang auf:
Selbstinszenierung in der Politik!


Cristián Gálvez
schafft Wirkung®
Persönlichkeitscoach
www.galvez.de

bei Fragen oder Kommentaren,
melden Sie sich bitte bei mir direkt:
cristian.galvez@charismakurve.de



11.08.2009
Kandidaten ohne Rückgrat


Der amerikanische Filmemacher Martin Scorsese gewann mit seinem Film The Departed - Unter Feinden gleich vier Oscars. Direkt im ersten Satz des Film bekennt sich Gangsterboss Frank Costello, gespielt von Jack Nicholson, zu seinem Willen: "Ich will nicht das Produkt meiner Umwelt sein, ich will, dass die Umwelt ein Produkt von mir wird!" In den nächsten zwei Stunden sagt Costello nicht einen Satz, macht nicht eine Bewegung, trifft nicht eine Person, die diese zwei Sätze nicht unmittelbar zum Ausdruck bringt.

Von den Profis lernen
Inszenierungsprofis wissen, dass Hauptfiguren einen klaren Willen brauchen, um das Publikum zu fesseln. Amerikanische Drehbuchautoren sprechen von "overall objektive" (Überaufgabe) oder sogar "spine", dem "Rückgrat" einer Hauptfigur. Den Hai töten, die Welt retten, den Mörder fangen sind typische Überaufgaben. Erst das Rückgrat verleiht einer Figur Charakter und Persönlichkeit. Wenn nicht erkennbar ist, wofür eine Person auf der Leinwand steht, verlieren wir das Interesse. Oder anders ausgedrückt: Eine Figur ohne Rückgrat garantiert den Flop an der Kinokasse.

Gute Drehbuchautoren sorgen dafür, dass der Zuschauer innerhalb weniger Minuten den Willen der Hauptfigur erkennt. In Scorseses Film bereits im ersten Satz. In der Regel ist der Wille nach 10 Minuten in den Köpfen der Zuschauer. Wir haben Orientierung, die Person ist uns vertraut.

Obama und sein Rückgrat
Wie wichtig das Rückgrat in der politischen Inszenierung ist, zeigte Obama im U.S. Wahlkampf. Springen wir in das Jahr 2008: Obama hat einen klaren Willen. Er will den Wandel. Nicht mehr und vor allem nicht weniger. Kein öffentlicher Auftritt, kein Plakat, keine Rede, kein Film, in dem der Wandel nicht zur treibenden Kraft des Kandidaten wird. Sogar das Flugzeug des Kandidaten trägt in großen Buchstaben die Aufschrift CHANGE WE CAN BELIEVE IN. Obama selbst verkörpert Wandel und mit seinem "Yes, we can!" erfüllt er den großen amerikanischen Traum auf neue Art und Weise. Gefüttert wird diese "Überaufgabe" vor allem durch den biographischen Hintergrund des Protagonisten. Obama beweist durch seinen Lebensweg, dass er immer wieder Wandel bewirkt hat. Er hat es allen gezeigt: als Halbschwarzer mit afrikanischem Hintergrund, der Gemeindehelfer, der den Wandel auf Chicagos Straßen brachte, der erste farbige Chefredakteur der renommierten Harvard Law Review, der ehemalige U.S. Senator, der auch in unbequemen politischen Feldern Wandel bewirken kann usw. Die Geschichte wirkt stimmig. Eine Geschichte mit einem Hauptdarsteller, der bewegt, begeistert und berührt. Obama will nicht nur Wandel, er ist Wandel. Oscarreif!

Merkel & Steinmeier
Nun zu den deutschen Kandidaten. Welches Rückgrat haben Steinmeier und Merkel?

Steinmeier hat in der letzten Woche mit seinem Deutschland-Plan wenigstens eine Richtung vorgegeben. Der Wille scheint erkennbar zu sein. Zumindest, wenn man ganz viel Interesse mitbringt und sich nicht schon vorher aus dem "Film" Steinmeier zappt. Der SPD-Kandidat will offensichtlich "Die Arbeit von morgen" oder so was ähnliches. Doch während Frank Costello in seinem Film lebenslang sein Verhalten an seiner Überaufgabe ausrichtet und Obama über seinen Lebensweg den Wandel dokumentiert, bleibt uns Steinmeier den Beweis schuldig. Wo sind die Storys, die dem Wähler zeigen, dass er es bewiesen hat? Wo ist ein Verhalten im Auftritt erkennbar, dass für eine eindeutige Überaufgabe steht? Mit welchen Nebenrollen dokumentiert er diesen Willen?

Auch Angela Merkel bekennt sich nicht zu einer eindeutigen Aussage, aus der sich alles ableiten lässt. "Wir haben die Kraft" taucht immer häufiger auf und meint wohl, dass sie diese Kraft auch nutzen möchte. Sie stellt sich weniger dem "Arbeitsplatz von morgen" sondern kümmert sich mit Guttenberg mehr um die "Gegenwart". Und genau diese Gegenwart spielt den beiden CDU-Gesichtern erstaunlich gut zu. Denn Merkel profitiert vom derzeitigen Aufschwung. Glück gehabt.

Fazit: Auf den politischen Bühnen sind beide Kandidaten nicht so wirklich oscarreif unterwegs. Merkel profitiert von der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung und davon, dass wir sie in ihrer Rolle schon länger kennen. Sie ist uns vertrauter. Steinmeier kennen wir bisher nur in der Rolle des Außenministers. Steinmeier war also eher Q. Der Mann im Hintergrund, der mit diplomatischer Rhetorik erstaunlich gut punktete. Doch das neue Rollenprofil erfordert eine neue Überaufgabe. Seine Figur muss völlig neu angelegt werden. Und während es bei James Bond völlig klar ist, dass er die Welt retten möchte, kennen wir Steinmeiers Auftrag noch nicht. Bleibt zu hoffen, dass er ihn selber kennt.


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